Der Schweizer Professor Walter Janach und sein kleines Elektromobil Mayi

2023-01-05 18:26:51 By : Mr. Jack Zhang

«Halt!», ruft der Herr Professor. Oje – wie peinlich. Im Workshop von Walter Janach (82) sollte ich eigentlich nur mit einer Nietpistole einen Blindniet montieren – und habe ihn prompt falsch herum angesetzt. Janach lacht und sagt: «Nur Mut!» Willkommen beim Mayi, seinem ultraleichten Zwei-Personen-Stromer für die City, den wir mit ihm zusammen am Circular Economy Symposium by Kyburz (siehe Box) in Freienstein im Zürcher Unterland montieren.

Jährlich veranstaltet der Elektropionier Kyburz aus Freienstein ZH – von dort kommen die Elektro-Dreiräder der Post oder der Roadster eRod – eine Tagung zur Nachhaltigkeit. Am dritten Circular Economy Symposium by Kyburz lautete das Thema «Sinnvolle Mobilität». Neben spannenden Referaten und der Challenge rund um ökologischere oder kreative Fahrzeuge auf Kyburz-Basis (Bild) gab es etwa Workshops wie jenen zum Bau des Mayi. Das nächste Symposium am 2.9.2022 trägt den Titel «Sinnvolle Ernährung». Infos: Circular-economy-symposium.ch.

Jährlich veranstaltet der Elektropionier Kyburz aus Freienstein ZH – von dort kommen die Elektro-Dreiräder der Post oder der Roadster eRod – eine Tagung zur Nachhaltigkeit. Am dritten Circular Economy Symposium by Kyburz lautete das Thema «Sinnvolle Mobilität». Neben spannenden Referaten und der Challenge rund um ökologischere oder kreative Fahrzeuge auf Kyburz-Basis (Bild) gab es etwa Workshops wie jenen zum Bau des Mayi. Das nächste Symposium am 2.9.2022 trägt den Titel «Sinnvolle Ernährung». Infos: Circular-economy-symposium.ch.

Seit zwei Jahrzehnten treibt der Ingenieur Janach, pensionierter Professor für Thermodynamik und thermische Maschinen des Technikums Luzern (der heutigen HSLU), seine Vision einer Individualverkehrs-Alternative etwa für China voran. Warum? «Die Hälfte der Menschheit lebt in Städten. Tendenz zunehmend», erklärt Janach, der einst an Verbrennungs- wie Hybridantrieben, Jettriebwerken und Erdgasautos forschte. «In Chinas Megacities sind die Strassen längst verstopft, obwohl der Motorisierungsgrad noch sehr tief ist. Das Auto ist keine Lösung mehr, zumal uns der Klimawandel einzuholen droht.»

Janachs Mayi (chin. «Ameise») ist grob umschrieben ein vierrädriges E-Bike. Dass diese Vision oft belächelt wird, weiss ihr Erfinder. «Ohne disruptive Innovationen kein Fortschritt», sagt er lakonisch. Auslachen ist halt einfacher, als Ideen gegen Dauerstaus und Abgase zu entwickeln. Denken wir 15 Jahre zurück: Damals war das iPhone so undenkbar wie ein E-Auto-Anteil von zehn Prozent bei Schweizer Neuwagen oder Städte voller Miet-E-Trottinetts. Letztere haben sich etabliert – nur leider auch in der Unfallstatistik: E-Trottis sind schneller, als die winzigen Räder und der hohe Schwerpunkt es erlauben. Der Mayi hat vier Räder, eine Fussbremse und dank seines Sitzes einen tiefen Schwerpunkt.

Alles so einfach wie möglich. So sind viele Teile links- wie rechtsseitig baugleich oder die Radnaben mit den Halbachsen verklebt statt verschraubt – weil es Geld und Gewicht spart. Rechtlich ist der Mayi ein Leicht-Motorfahrrad, also ein «langsames» E-Bike (bis 25 km/h, der Mayi läuft 20 km/h). Daheim in Meggen LU hat das Gefährt seinem Erfinder manch Begegnung mit der Polizei beschert. «Aber inzwischen kennt man mich», sagt uns der Professor schmunzelnd.

Das Gros der Teile hat Janach für den Workshop mit einigen Blechschrauben vormontiert – sonst wäre das nie an einem Nachmittag zu schaffen. Jetzt kommen wir dran, beim Chassis, dem Herzstück. Schon als Professor hatte Janach Leichtbau als Steckenpferd und etliche Projekte betreut. «Je weniger ein Fahrzeug wiegt, desto weniger Energie benötigt es», führt er aus, «und desto kleiner kann die Batterie sein. Der Mayi bewegt mit einer gerade mal vier Kilo leichten Batterie zwei Menschen, ein Tesla braucht dazu 500 Kilo Batterie.»

Zwecks Diät besteht das Chassis, an dem wir jetzt fleissig nieten, aus einer armierenden Hülle aus zwei Kilo Alu um den Block aus einem Kilo Styropor – Kern und Kern-Innovation. Mit Akku wiegt der 120 Zentimeter kurze und 85 Zentimeter schmale Mayi nur 25 Kilo, trägt aber 150 Kilo – und dies mit einer Akkuladung (0,4 kWh) 40 Kilometer weit. «Ich kenne kein anderes Fahrzeug, das Gleiches kann», sagt Janach. Naja, aber nimmt das nicht noch mehr Platz weg als all die E-Scooter in der City? «Nein», sagt Janach, packt den Mayi am Joystick, stellt ihn hochkant – und strahlt: Auch das hat er bedacht. Übrigens wäre auch eine fünf Kilo leichte, helmförmige Wetterschutz-Karosse denkbar.

In den zwei Prototypen haben 350-Watt-Motor und Lithium-Eisenphosphat-Akku (LiFePO4, 0,4 kWh) je 10’000 klaglose Elektrokilometer hinter sich, und weitere zehn Mayi wurden bis heute gebaut. Wir helfen Janach heute hier bei Nummer 13. Seine Idee: Die Teile des Mayi müssten aus Kostengründen global industriell gefertigt werden. Das Fahrzeug selbst würde aber vor Ort montiert – um den Preis so an die landestypischen Lohnkosten anpassen zu können. Und vor allem: «Alles ist so konzipiert, dass es jeder Velo-Mech reparieren kann.»

Fertig genietet, selbst ein Grobmotoriker wie ich muss beim Nieten also keine Niete sein und kann so was lernen. Janach montiert die Räder, setzt den Schaumstoff-Sitz auf (wahlweise Zweisitzer möglich) – fertig. Ausnahmsweise ohne den nicht vorgeschriebenen, aber empfehlenswerten Helm drehen wir Runden. Die Lenkung mit mechanischem Joystick ist ganz leicht und exakt, der Mayi macht Spass und wirkt fahrsicher.

Vielleicht war Janach – er sucht jetzt interessierte Innovatoren – mit der Idee Anfang der 2000er-Jahre der Zeit zu weit voraus: Trotz grossem Interesse in China wurde nichts aus der Massenproduktion. Aber man sollte nie Nie sagen. Wie teuer käme ein Mayi? «Das Material kostet 2000 Franken», erklärt Janach, «aber für einen lohnt der Arbeitsaufwand kaum. Zehn bis zwölf, ab dann macht es Sinn.»

Der Marktpreis läge je nach Montageland «auf E-Bike-Niveau, also in China bei 1500, bei uns maximal 5000 Franken». Und wenn jemand nur seinen eigenen Mayi bauen will? «Falls sich eine Gruppe fände, dann hätte ich Teile für sieben Exemplare. Unternehmerische Innovatoren dürfen sich gerne bei mir melden.»